Die Kultur des Grindalwürmchens

Es ist mein erklärtes Ziel, meinen Fischen nach Möglichkeit nur lebendes Futter anzubieten. Bei einigen Arten blieb mir bisher auch gar nichts anderes übrig: sie nahmen Kunstfutter nicht an. Auf einer Fischbörse nahm ich drei Ansätze Grindalwürmer mit. Die Kulturen waren auf Schaumstoff angelegt. Meine Erfahrungen möchte ich darstellen, weil viele Freunde die Vermehrung auf Torf oder Erde für die einzig erfolgreiche ansehen. Auf Schaumstoff sind jedoch gute Vermehrungserfolge zu erzielen, wenn man nur ein paar Regeln beachtet. Für die Homepage habe ich meinen Erfahrungsbericht von 1979 aktualisiert.

Grindalwürmer werden etwa seit 1947 von deutschen Aquarianern als Futtertier verwandt. Die lateinische Bezeichnung Enchytraeus buchholzi zeigt bereits etwas von der systematischen Stellung dieser Ringelwürmer (Annelida) und die nahe Verwandtschaft zur wesentlich größeren, aber geläufigeren Enchytraeus albidus. Es gibt jedoch noch weitere Arten. Die Grindalwürmer wurden von der Schwedin GRINDAL in einer normalen Enchyträen-Kultur entdeckt und schließlich isoliert. Wer sich für ihren Bericht interessiert, der sei auf DATZ 9 (2): 44-46 verwiesen.

Bild auf eine Grindalkultur

Die Grindal liegen nach der Fütterung auf dem Schaumstoff und können so leicht entnommen werden.

Zur Haltung werden immer wieder Erde, Torf oder entsprechende Erdmischungen empfohlen. Ich habe es auf diese Weise bereits zweimal versucht. Beim ersten Mal war überhaupt keine nennenswerte Vermehrung festzustellen. Bald hatte ich das Interesse verloren und die Zucht ging ein. Beim nächsten Mal konnte ich bei der Aufstellung zwischen Deckscheibe und Aquarienbeleuchtung einige Zeit etwas "ernten". Dann fehlte mir jedoch der Mut, die Erde einfach auszuwaschen, so dass auch eine spätere Neuanlage mit den Resten und frischer Blumenerde (käufliche Einheitserde) die Versäumnisse nicht wieder wettmachen konnte.

Das wichtigste bei der Zucht der Grindal ist nach meiner Erfahrung eine wirklich regelmäßige Überwachung und Pflege. Hierin sind die Würmer ebenso wie andere Kulturen von Kleinlebewesen anspruchsvoller als so mancher unserer Fische. Diese zeigen uns ihr Unbehagen überdies durch Änderungen von Färbung und Verhalten. Nach meinem Eindruck benötigen die Grindalwürmer ein "körperspezifisches" Milieu, in dem sie sich - gleichgültig ob Torf oder Schaumstoff - optimal fortpflanzen können. Vielleicht spielt der pH-Wert eine Rolle. Ich lehne es jedoch ab, nun auch noch in den Futterkulturen derartige Messungen durchzuführen. In meinem Bericht von 1979 vermutete ich, dass auch noch andere Unterlagen - wie z.B. Watte - als Kulturträger geeignet wären. Inzwischen halte ich eine Kultur auf Semiramis. Noch interessanter und ergiebiger ist die Kultur auf in Würfel geschnittenem Schaumstoff.

Das angesprochene Milieu ist aber nach meinem Eindruck nicht entscheidend vom Trägermaterial, sondern vom sich bildenden Feuchtigkeitsfilm abhängig. Das Material kann an diesem Punkt jedoch - gehen wir einmal vom pH-Wert aus - den Wert und damit den Zeitfaktor einer Zucht beeinflussen. Von der Neuanlage einer Kultur bis zur befriedigenden Besiedlung, bzw. bis zur ersten Futterentnahme, konnte ich deutliche Zeitunterschiede bei Schaumstoff verschiedener Herstellung feststellen. Offensichtlich "regulieren" die körpereigenen Ausscheidungen bestimmte Umweltbedingungen, Entsprechende Untersuchungen könnten ein interessantes Gebiet für experimentierfreudige Liebhaber darstellen. Mir genügt es zu wissen, dass die Unterlage grundsätzlich frei gewählt werden kann, wobei praktische Überlegungen wie Fütterung und Grindalentnahme mit anzustellen sind. Den Schaumstoff können Sie in beliebig feuchtigkeitsresistente Behälter - von der Margarineschachtel bis zur Gefrierdose - stecken. Die Zucht muss - wie angedeutet - feucht gehalten werden, Ich glaubte zunächst in Kenntnis einiger Rezepte, hier einen ganz bestimmten Feuchtigkeitsgrad einhalten zu müssen. Als ich aber selbst dann keinen Unterschied beim Ernten der Grindal bemerkte, als in der Schale, die den Schaumstoffdose umschloß, einiges Wasser stand, oder ein anderes Mal der Schaumstoff nur noch geringe fühlbare Feuchtigkeit aufwies, handhabte ich das Anfeuchten lockerer. Ich komme hierauf noch einmal im Zusammenhang mit der Fütterung zurück.

Bild einer Kunststoffdose mit einer Grindalkultur

Zur ausreichenden Belüftung der Kultur empfiehlt es sich, Löcher in die Seiten zu schneiden.

Einige Leser werden bereits Grindal-Zuchtanleitungen kennen. Immer wieder werden relativ hohe Temperaturen empfohlen. Ich habe die Schalen deshalb auch zunächst zwischen Abdeckscheibe und Aquarienbeleuchtung aufbewahrt. Mit der Zahl der Ansätze bringt dies jedoch Platzprobleme. Inzwischen stelle ich die Behälter im Fischkeller auf. Dadurch sammeln sich reine Würmer an der Abdeckung und den Schalenrändern. Sie können dann leicht entnommen werden. Bei hohen Temperaturen finden sich an den genannten Stellen keine Würmer.

Wesentlich wichtiger als Feuchtigkeit und Wärme ist dagegen die Fütterung, sofern man ein Minimum an klimatischen Bedingungen nicht unterschreitet. Die Fütterung ist neben der gelegentlichen Säuberung das A und O. Dabei sind die Futtermengen und die Zahl der Futtergaben entscheidend. Ich habe einmal einen Ansatz gesäubert, der total verdreckt war (Lasst bei diesem Gestank Eure Lebensabschnittsgefährtin nicht in die Nähe kommen!). Dieser Ansatz enthielt bei zwei Schaumstofflagen von je 3 cm bei einer Fläche von ca. 20 x 8 cm nur noch einige Würmer. Ich wollte diese zunächst wegwerfen, weil mir ein ähnliches Ergebnis nach einer verzögerten Reinigung bereits bekannt war. Ich nahm an, dass aus diesen wenigen Würmern keine aberntefähige Kultur mehr entstehen könnte. Es zeigte sich aber das Gegenteil. Ich habe täglich soviel gefüttert (und immer leicht angefeuchtet), wie bis zum nächsten Tag gefressen wurde. Die Anzahl der Würmer nahm ständig zu, so dass ich auch die Futtergaben ständig erhöhen konnte. Nach vier Wochen konnte ich dann mit dem Verfüttern der Grindal beginnen. Verschweigen möchte ich jedoch nicht, dass ich auch das ein oder andere Mal vergaß, die Kultur rechtzeitig zu füttern.

Ich möchte zum Thema Fütterung der Grindal keine Rezepte mit ccm-Angaben u.ä. zu geben. Ich streue verschiedene Mengen Instantkindernahrung (Haferschleim) auf den Schaumstoff und feuchte gelegentlich etwas an, Nach dem Anfeuchten wird das Futter schneller aufgenommen. Andere Nahrung habe ich bisher nicht eingebracht. Die Instant-Flocken halte ich für biologisch sinnvoll (kalorienreiche, vollwertige Nahrung). Die Fütterung ist damit sehr einfach, was ich ebenfalls für sehr wichtig halte. Wer kocht schon gerne stundenlang irgendeinen Pamps. Die Entnahme der Grindal, das Ernten, gestaltet sich bei der Haltung auf Schaumstoff denkbar einfach. Eine Glasscheibe lege ich nicht auf. Die Würmer spüle ich entweder von der Boxabdeckung direkt in die Aquarien oder ich schabe sie mit dem Fingernagel vom Schaumstoff und tauche diesen dann ins Becken. Dabei habe ich nach Möglichkeit keine Futterreste eingebracht. Sind die Fische nicht zu empfindlich, schaden kleine Reste auch nicht.

Zum tödlichen Problem für die Kultur kann die Selbsterwärmung werden. Bei ungenügender Belüftung und einer rasanten Entwicklung können Temperaturen auftreten, bei denen die Grindalwürmchen schlicht sterben. Das ganze gibt eine recht unappetitliche Masse. Deshalb bietet es sich an, in die Seiten der Behälter Löcher zu schneiden. Allerdings dringen durch sie Schlupfwespen ein, auf die ich gleich noch eingehen werde.

Bei zu reichlicher Fütterung stellen sich in der Kultur Störenfriede ein. Insbesondere wenn die Kindernahrung zu lange auf dem Schaumstoff liegt, stellen sich Milben ein. Nach meinem Eindruck ist das Futter dann "sauer" geworden. Die Kultur riecht entsprechend. Einige Tage mäßige Fütterung und Auswaschen des Schaumstoffes - zumindest der unteren Lage - beheben dieses Übel.

Hartnäckiger zeigen sich einige kleine Insekten, die ich zunächst für Fliegenarten hielt. Inzwischen liess ich mich aufklären, dass es sich um Schlupfwespen handelt. Sie fallen bei der Fütterung oder Kontrolle auf dem hellen Schaumstoff sofort auf. Ihre Maden sind wesentlich dicker als die Grindal und werden mit zunehmenden Alter dunkler. Ich habe verfütterte sie ebenfalls. Nachteile für die Entwicklung der Grindal habe ich zunächst nicht bemerkt. In jedem Ansatz stellen sie sich auch prompt wieder ein. Sie sind bei einem Altern der Kultur kaum zu vermeiden. Nach meiner Erfahrung haben die Probleme nicht nur mit dem Schädigen der Grindal zu tun. Die Kultur beginnt merkwürdig an zu riechen und die Grindal gehen später sichtbar zurück. Ein Auswaschen hilft nur kurzzeitig.

Abhilfe schafft Baumleim, den ich auf Butterbrotpapier streiche und innen in den Behältern am Deckel befestige (Tesa). Dort hängen dann die Wespen fest. Wenn man dies ausreichend lange durchhält, ist die Plage vorbei. Natürlich läßt sich diese Massnahme unterstützen, indem die Kulturen ausgewaschen und weniger gefüttert werden. Aber gerade die Futtermenge und die Häufigkeit der Fütterung sind bei Grindal ein heikles Thema. Beim Auswaschen fühlt sich der Schaumstoff m. E. anders an, vielleicht verschiebt sich durch die Schlupfwespen (Exkremente usw.) der pH-Wert.

Dieser Baumleim wird glücklicherweise nicht mehr in diesen Blechdosen angeboten, bei deren Entnahme man gleich selbst eine Portion abbekam. Es sind inzwischen Plastiktuben, die auf dem Kopf stehen und eine dosierte Entnahme erlauben. Man macht sich auch nicht mehr schmutzig, wenn nur ein wenig vorsichtig agiert wird.

Zum Abschluß möchte ich noch einmal die Kernpunkte der Grindalvermehrung hervorheben. Die Kultur ist auf angefeuchtetem Schaumstoff bei .ausreichender Fütterung und Zimmertemperatur möglich. Das wichtigste aber bleibt eine regelmäßige Kontrolle in kurzen zeitlichen Abständen, die sich auf eine Nachfütterung und Anfeuchtung erstrecken sollte.